EIN MEHRFACHSPRENGKOPF IN DER KOMFORTZONE
Wenn man einen solchen Blog eröffnet, eine Reihe von Äußerungen mit der Einladung zum Kommentieren, hat der erste Beitrag natürlich eine ganz besondere Bedeutung.
Anders als im NotizBlog mit der dort gewollten Leichtigkeit, Regellosigkeit und Spontaneität, geht es hier um ein ernsteres und tieferes Anliegen: Es soll ein bisschen mehr sein als in der üblichen flüchtigen Kommunikation, fundierter als am Stammtisch, unaufgeregter als im Journalismus, weniger von Interessen bestimmt als in der Politik und aufrichtiger als im Business, wo die meisten angeblichen „Argumente“ tatsächlich nur im Dienst des Marketings stehen. Sogar hinter vielen Freundlichkeiten blitzen dort nackte Verkaufsinteressen fadenscheinig und peinlich entlarvend hervor. Zu sagen und zu schreiben, was man wirklich meint, Authentizität und Transparenz also, soll die Richtschnur sein in diesem Blog. Auch für die erwidernden Texte von Euch / Ihnen.
Für den ersten Beitrag ging es mir darum, ein Thema zu wählen, welches zum Einen eine Menge mit dem Anliegen der Stiftung zu tun hat und zum Anderen einen starken aktuellen Bezug aufweist: Was brennt uns gerade unter den Nägeln, was kennzeichnet unsere gegenwärtige Lage, im je eigenen Leben, in Bezug auf die Gesellschaft und im Blick auf unsere Lebensgrundlagen ganz allgemein? Was tut sich derzeit, an mehreren Fronten (eine davon leider im wörtlichen Sinne zu verstehen), und wie bestimmt es unsere Situation? Was müsste uns hier und jetzt interessieren, und worum sollten wir uns ganz aktuell kümmern?
Und nicht zuletzt: Gibt es ein gemeinsames Band, ein Stichwort, ein Merkmal, eine Floskel, wodurch sich viele dieser Befunde und Strömungen gleichzeitig einfangen und prägnant fassen lassen?
Hier kommt das, was unter diesen Gesichtspunkten am plausibelsten und am meisten kennzeichnend erscheint:
DER ABSCHIED VON DER SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT
Über etliche Jahre hinweg, in mancherlei Hinsicht über viele Jahrzehnte, haben wir uns eingenistet in einer Behaglichkeit, die nicht danach fragte, wie das überhaupt möglich war. Was alles musste sich ereignen, was hätte umgekehrt nicht passieren dürfen, welche Ereignislinien mussten genau so zusammentreffen wie tatsächlich geschehen, wer musste sich wie sehr mühen über Jahrzehnte und Jahrhunderte? Welche Opfer pflastern diesen Weg – Betroffene, aber nicht an den Entscheidungen Beteiligte -, damit es uns so gut gehen konnte im Vergleich zu den meisten Erdenbürgern außerhalb von Westeuropa und auch hier während des allergrößten Teils früherer Epochen?
Solche Fragen haben sich die meisten Menschen nie gestellt. Vielmehr haben sie einfach vorausgesetzt und es als ihr Menschenrecht betrachtet, unter Bedingungen zu leben, unter denen sie sich gut und frei fühlen und zumindest einen gewissen Wohlstand genießen können. Manche auch weitaus mehr als das.
Ausdrücklich sei gesagt, dass es auch hier und heute Menschen gibt, für die eine solche Beschreibung ganz und gar nicht zutrifft, die nicht auf der Sonnenseite stehen, die Opfer waren und Opfer sind von Unrecht, Ungleichheit, Benachteiligung gewollt oder ungewollt, von Zwang zur auslaugenden Arbeit oder der Entleerung ihres Lebenssinns. Bevor sie an dieser Stelle – mit vollem Recht – widersprechen oder nur noch höhnisch lachen können, sei betont, dass bei den vorliegenden Überlegungen von der breiten Mehrheit die Rede ist. Es gibt und gab nur wenige Länder, in welchen für eine so große Mehrheit sowohl Freiheit als auch Wohlstand vorausgesetzt werden konnten, einfach so, wie hier in dieser insgesamt unfassbar reichen, mit größten Freiheiten ausgestatteten Republik.
Und nun sehen wir, in mehrerlei Hinsicht und innerhalb kurzer Zeit, dass das vermeintlich Selbstverständliche daran keinesfalls vorausgesetzt werden kann. Es war eine Illusion, erzeugt nur durch die lange Gewöhnung daran. In mancherlei Hinsicht sind es die Alten, welche den Krieg und die unmittelbare Nachkriegszeit noch erlebt haben, für die der Komfort der letzten Jahrzehnte deshalb nicht naturgegeben ist. Bei anderen Themen erkennen seit wenigen Jahren zunehmend nur die ganz Jungen, oder viel mehr: einige davon, dass und wo etwas nicht stimmt mit dem, was die große Mehrheit für natur- oder gottgegeben hält.
Doch massiv ereilt uns alle in diesem Jahr eine Ent-Täuschung nach der anderen:
- Bequem war es nicht nur, 77 Jahre lang im Frieden zu leben, sondern auch, davon auszugehen, dass das immer so bleiben müsse. Die auf der Startseite angedeutete „Zeitenwende“ stand zunächst in einem geopolitischen Zusammenhang, nämlich der Reaktion auf den nie für möglich gehaltenen Einmarsch der Militärmaschinerie eines Landes in das Gebiet seines europäischen Nachbarn. Doch schlagartig wird uns nun klar: Frieden ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Errungenschaft. Das heißt buchstäblich: Er musste und muss immer wieder errungen werden. Bald vierzig Jahre ist es her, dass zum letzten Mal Kriegsängste herrschten im kollektiven Bewusstsein, Stichwort „atomar bestückte Mittelstreckenraketen“. Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien während der 90er Jahre war trotz des dortigen Mordens schon weniger bedrückend für uns Westeuropäer, und spätestens danach regierte die diesbezügliche Arglosigkeit.
- Auch ökonomisch gesehen hatten wir es uns gemütlich gemacht in einer äußerst komfortablen Situation: Ein reger und höchst profitabler Wirtschaftsaustausch fast mit der gesamten Welt einschließlich politisch und moralisch fragwürdigster Länder, dem Bezug spottbilliger Energie vor allem aus solchen Ländern und dem massiven Export in ebensolche – die militärische, und wie wir jetzt sehen: notwendige Verteidigung dieser Möglichkeiten aber und die Kosten dafür überließen wir zu einem großen Teil unseren Verbündeten. Die Wirtschaftstätigkeit erbrachte viel, kostete aber wenig – die beste aller möglichen Welten. Manche nennen es auch „Trittbrettfahren“. Und dabei sind die früheren Sünden des Kolonialismus noch gar nicht angesprochen. Was an Menschenrechtsverletzungen geschah und geschieht aufseiten mehrerer unserer wertvollsten Handelspartner, spielte allenfalls in Lippenbekenntnissen und Sonntagsreden eine Rolle. Seit dem 24. Februar dieses Jahres ist es vorbei auch mit dieser Sorglosigkeit.
- Damit verbunden war die Fraglosigkeit der Versorgung mit Lebensmitteln, Kraftstoffen, Strom und Heizenergie sowie Rohstoffen für die Industrie. Knappheiten bestanden allenfalls auf der persönlichen Ebene, nie aber waren sie wirklich systemisch. Nur kurzzeitige Schwierigkeiten mit Lieferketten dann und wann, eine zeitlich sehr begrenzte Ölkrise vor Jahrzehnten, ab und an ein Börsencrash mit jeweils baldiger Erholung, ansonsten die üblichen Preisschwankungen und Tarif-Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern, doch langfristig eine hochgradige Stabilität – so stellte sich unter dem Strich die WIrtschafts- und Versorgungslage dar. Doch nun ganz plötzlich seit fast einem Jahrhundert nie mehr dagewesene Kostensteigerungen für Energie, chaotisch verlaufende Preisbildungsprozesse und die Gefahr der Rationierung wie sonst nur in der Kriegswirtschaft: All das hatte niemand mehr auf dem Schirm. Wer kennt noch heute Lebende, die im Winter frieren mussten?
- Nur zum Teil mit dem Krieg zusammenhängend beobachten wir neuerdings eine allgemeine Inflationsrate, die das seit mehr als zwanzig Jahren Gewohnte in sein Gegenteil verkehrt. Es gab ja kaum eine Geldentwertung, jedenfalls eine weit unterhalb der von den Notenbanken aus guten Gründen angepeilten 2% pro Jahr. Was das Schuldenmachen enorm erleichterte und das Wachstum stetig befeuerte. Auch diesbezüglich hatten wir uns in der prosperierenden Stabilität eingenistet wie nie zuvor so lange am Stück. Nun dämmert uns langsam, dass auch das nur eine vorübergehende Phase gewesen ist. Und mehr noch: Dass nämlich das Geldsystem insgesamt auf tönernen Füßen steht. Dies ist m.E. eine der am meisten unterschätzte, nahezu totgeschwiegene Gefahr überhaupt. Der mächtige Warnschuss der Finanzkrise aus dem Jahr 2008 war nach wenigen Jahren restlos verhallt. Außer unter einigen der Experten, die tiefer sehen als nur auf kurzfristige und unvollständige Kosten-Nutzen-Kalkulationen, Börsenkurse und Bilanzen. Nicht nur beim Thema „Ökologie“ ist ein unglaubliches Maß an Ignoranz in der Welt.
- Noch viel länger herrscht und ebenfalls in den wirtschaftspolitischen Zusammenhang gehört die „Alternativlosigkeit“ des Wachstums als Grundvoraussetzung für alle Formen der Wohlstandsmehrung und -erhaltung. Sogar jetzt ganz aktuell sind wir wieder Zeugen eines extremen und komplett rückwärtsgewandten Programms, gerade vorgestellt von der neuen Premierministerin Liz Truss für Großbritannien und Nordirland: Massive Steuersenkungen als Kopie der langfristig gescheiterten Politik von Margret Thatcher in den achtziger Jahren, fast nur zugunsten der ohnehin Wohlhabensten – im Unterschied zu damals aber zusätzlich mit einem nie dagewesenen Maß der Neuverschuldung. Und alles ausschließlich zur Rettung des allein selig machenden Wachtsums.
Die entscheidende Frage lautet: Kann es eine Art der Steigerung von Produktion und Konsum geben, welche die Lebensgrundlagen nicht weiter zerstört? Ist also grünes Wachstum möglich, oder muss auf Wachstum komplett verzichtet werden? Die Ökonominnen und Experten sind sich nicht einig darüber …
- Nur zwei Jahre vor dem militärisch Undenkbaren fand sich die ganze Welt aufgerüttelt durch die Corona-Pandemie. Fachleute warnten bereits seit Jahrzehnten vor Ereignissen dieser Art. Dass mörderische Wellen von Virusinfektionen kommen würden, war ihnen bekannt. Die Frage war nicht, ob, sondern nur, wann. Unser Bedürfnis, nicht behelligt zu werden, vielleicht auch der Siegeszug eines naiven, unbedingten „positiven Denkens“ seit den neunziger Jahren haben unsere Augen verschlossen.
- Noch mehr gilt das für die über Jahrhunderte hinweg gedankenlos gehandhabte Praxis, dem Planeten grenzenlos Ressourcen entnehmen zu können, ohne uns über die längerfristigen Folgen dieses Tuns Gedanken zu machen, ganz besonders in den letzten dreißig bis vierzig Jahren. Auch diese Zusammenhänge sind seit mindestens fünfzig Jahren bekannt, auch und gerade den Öl-Multis, die sie unter Verschluss gehalten haben. Einzelne Wissenschaftler sahen bereits im 19. Jahrhundert (!) die Entwicklung im Groben voraus.
Kann das System das aushalten, ohne zu kollabieren? Nicht nur die Klimaveränderung, sondern auch Artensterben, zunehmende weltweite Wasserknappheit, die Vermüllung der Ozeane und immer mehr auch des Weltraums ändern unsere Lebensbedingungen radikal. Das vertraute, früher kaum jemals hinterfragte Wirtschaftsmodell als Ganzes stößt an eine Grenze. Wenn wir Glück haben – oder besonderes Pech, je nach Blickwinkel -, werden sich im Vergleich sowohl die Pandemie als auch der brutale russische Angriffskrieg als ein lockeres Warmlaufen für noch wesentlich schwerer wiegende und dabei weit mehr weltumspannende Probleme erweisen.
- „Unsere Kinder und Enkelkinder sollen es einmal besser haben als wir“ – eine Überzeugung, die sich in den allermeisten Fällen seit dem zweiten Weltkrieg erfüllte, oftmals auch vorher. Mit der Realisierung solcher Wünsche ist es wohl vorbei. „Sollen“ in den Augen Vieler schon, das „Werden“ hingegen ist mehr als fraglich. Selten konnte man sich in der Vergangenheit sicherer sein, dass sie es nicht besser, sondern schlechter haben würden.
- Ein Anwendungsfall für diesen Wunsch und sein Zerbröseln ist das Rentensystem: Mit dem sog. „Umlagesystem“ beziehen jeweils die Älteren, die nicht mehr arbeiten, direkt und zeitnah Zahlungen von denjenigen, die im Arbeitsprozess stehen und dafür Abgaben leisten. Doch können sich diese noch darauf verlassen, dass es ihnen selbst während ihres Lebensabends noch genauso ergehen wird? Eine an sich sehr vernünftige Praxis sieht sich großen Gefährdungen gegenüber, allein schon, weil es ungleich mehr Ältere und ungleich weniger Jüngere gibt als in allen Epochen zuvor. Das kapitalbildende System scheint nur auf den ersten Blick zielführender zu sein, denn es ist alles andere als klar, dass die auf dem privaten Kapitalmarkt angelegten Gelder tatsächlich die Erträge liefern wie in der Vergangenheit, ja dass die eingezahlten Beiträge überhaupt noch in voller Höhe zurückfließen werden, wenn man – die einzig richtige und relevante Betrachtung – die Inflationsrate abzieht, siehe oben. Mit dem Wegfall der anderen genannten Selbstverständlichkeiten gehören auch Sicherheit und Verlässlichkeit der Versorgung der Menschen im Ruhestand endgültig der Vergangenheit an.
Abgesehen von der Fragilität des Finanzsystems, welche noch immer nicht in der notwendigen Breite gesehen wird, sind alle anderen Austilgungen der Selbstverständlichkeit nun innerhalb von wenigen Monaten und ganz wenigen Jahren massiv in unser Bewusstsein getreten.
Viele Jahrzehnte lang haben wir es uns gemütlich gemacht in der Vorstellung, dass wir uns gegen niemanden militärisch verteidigen brauchen, dass wir nur Wachstum fördern und uns keine Gedanken über die Endlichkeit der Ressourcen dafür machen müssen (naiv, verdrängend oder bewusst verschweigend haben wir ihre Unendlichkeit einfach vorausgesetzt), dass Epidemien lange vergangene Ereignisse sind, dass Erde und Ozean auch dann unberührt bleiben, wenn weiter Tausende von Arten aussterben, und zwar mit beschleunigter Tendenz, dass wir ewig den Menschen in anderen Ländern mehr verkaufen können, als wir von ihnen erwerben (lange Zeit stahlen wir es kurzerhand), dass wir gleichzeitig durch sie mit billiger Energie versorgt werden, dass wir dafür in moralischer Hinsicht beide Augen fest zudrücken und im Welthandel permanent eine massive Doppelmoral anwenden, dass wir fraglos von dem Funktionieren des Renten-Umlagesystems wie auch der langfristigen privaten Kapitalbildung ausgehen und dass wir ohne jeden Zweifel naiv die Stabilität eines Geldsystems voraussetzen, obwohl es weitgehend unbemerkt hoch gefährdet ist.
Und nun fällt uns das alles auf einmal vor die Füße. Das Meiste davon wird nicht bloß fragwürdig – nein, es hat sich innerhalb kurzer Zeit auch faktisch schon erledigt. Nie mehr wird Energie so billig sein wie bis zu diesem Jahr, nie mehr werden wir uns restlos entspannen können angesichts der Gefahr neuer Viren und ihrer Varianten, nie mehr werden wir voraussetzen können, dass uns andere Länder des Westens auf ihre Kosten verteidigen, während wir gleichzeitig mit ihnen und weltweit glänzende Geschäfte machen, und nie mehr werden wir gedankenlos die Welt vermüllen, den Boden ausbeuten und die Atmosphäre mit CO2 und Methan vollpumpen können, ohne dass innerhalb weniger Jahrzehnte riesige Teile der Erde unbewohnbar werden und andere nur unter gigantischen Kosten erhalten bleiben.
Eine ernüchternde Diagnose – aber keine überraschende für Menschen, die schon länger darüber nachdenken, und für 99 Prozent der Wissenschaft. Doch sowohl sie als auch der gesunde Menschenverstand müssen noch immer zurücktreten gegenüber Lobbyismus, Profitgier und der Macht der Gedankenlosigkeit. „Die Macht der Gedanken“ heißt es in einem anderen Zusammenhang, doch in diesen großen, bedeutenden WIrkungsfeldern regiert in Wahrheit die Macht der Gedankenlosigkeit. Zwei der Ursachen dafür sind Wachstum mit allen Mitteln und damit zusammenhängend die Grenzenlosigkeit des Konsums. Völlig gleich, wie man zu Papst Franziskus, den christlichen Kirchen oder der Religion überhaupt steht – mit dieser Formulierung hat er den Nagel auf den Kopf getroffen: „Die zersetzende Banalität des Konsums“. Man muss nicht gläubig sein, um hinter dieses Verdikt ein Ausrufezeichen zu setzen!
Eine ernüchternde Diagnose – aber keine, die so stehen bleiben muss.
Deshalb lade ich alle Leserinnen und Leser dieses Beitrags ein, Stellung zu nehmen, die Eindrücke und Beschreibungen zu bezweifeln, sie zu stützen oder zu widerlegen, mehr Anstöße zu geben, selbst weiter zu denken, vielleicht sogar Elemente einer Lösung zu skizzieren.
Gern auch in sehr kurzen Statements, die sich insofern stark unterscheiden von dieser umfangreichen Thesen-Vorlage. Sorry for that, aber manchmal ist es schwer, sich zu beschränken. Vor allem dann, wenn es um so viel geht.
Viele der aufgeführten Problemfelder haben ihre Ursache darin, dass zu viele Menschen im reichen Westen ignoriert haben, dass jeder Konsum ein unsichbares zweites Preisschild hat. Die wahren Kosten der meisten Produkte und Dienstleistungen bleiben bisher kaum berücksichtigt, weil diese von anderen getragen werden: von ausgebeuteten Näherinnen in Bangladesh, von Minenarbeitern im Kongo, von Schweinen in niedersächsischen Massenställen, von Pflanzen in abgeholzten Amazonasregionen, von Tieren in asiatischen Palmölplantagen, von mikroplastikverseuchten Meeresbewohnern, von indigenen Völkern in allen Teilen der Welt und last but not least vom Klima.
Erst wenn jeder Konsumentin, jedem Konsumenten überdeutlich das unsichtbare Preisschild gezeigt wird, kann erwartet werden, dass sich unser Konsumverhalten ändert. Das Wissen (in der Wirtschaft spricht man von der Internalisierung externer Kosten) über dieses zweite Preisschild muss Pflicht werden: am besten als Pflichtschulfach. Da dies aber so schnell kaum geschehen dürfte, sind heute diejenigen gefragt, denen solche Zusammenhänge jetzt schon klar sind. Es braucht eine breite und dauerhafte Diskussion über diese externen, fernen Kosten. Jeder Griff in ein Supermarktregal, jede Online-Bestellung sollte einhergehen mit der Frage, welcher Preis auf dem unsichbaren Preisschild steht. Und wer diesen bisher zahlt.
Herr Jung und Herr Goetze-Rohen, das ist ja schön und gut, was Sie schreiben, doch haben Sie sich mal überlegt, wie wir uns noch einen zweiten Preis leisten können? Ich bin sowieso schon überfordert von den Rechnungen. Sie werden garantiert noch höher. Dann muß man sich nicht wundern, wenn immer mehr Leute protestieren! Außerdem ist Liz Truss schon nicht mehr englische Premierministerin. Das müssen sie ändern.