So viele wirklich lupenreine Demokraten und Demokratinnen!
[ Begrüßung, Dank an die Mitorganisatorinnen vom Bündnis Demokratie und Toleranz, in Bezug auf diese: ]
Es waren intensive Tage – und die Zusammenarbeit, auch mit weiteren Helfern und Helferinnen, war sehr fruchtbar.
Bereits nach dem ersten Rundbrief vonseiten der Stiftung am 17. Januar gab es eine vorher nicht für möglich gehaltene Zahl von spontanen Rückmeldungen, vom bloßen „Daumen hoch“ bis hin zu konkreten und aufwendigen Mitmach-Angeboten.
Mit am meisten gefreut hat ich mich eine kurze Nachricht mit dem Text:
„Tolle Initiative, wie kann ich helfen? Liebe Grüße, Lars Ruppel “
Viele werden ihn kennen und/oder sein eigens für heute angefertigtes Video gesehen haben, wenn nicht, lasst es Euch senden. Es ist auch inhaltlich sehr passend. Und schaut mal nach auf YouTube, da sind einige sehr sprachmächtige und witzige Sachen zu sehen.
Das, was ich meine, geht aber weit über diesen einzelnen Beitrag hinaus. Es ist nur ein Beispiel dafür, wie man nicht nur meckert und fordert, von den anderen und vom Staat – was enorm um sich gegriffen hat seit 20 oder 30 Jahren – sondern umgekehrt fragt: Was kannich beitragen? Mit einem Einsatz von Zeit und Energie, auch ohne kurzfristigen Nutzen.
Und genau das gilt auch für alle, die heute hier sind: Ihr opfert den halben Samstag und manche auch Zeit im Vorfeld, um einem Zweck zu dienen, der nicht einem momentanen individuellen Interesse entspringt.
John F. Kennedy hat es vor ziemlich genau 63 Jahren bei seiner Rede zur Amtseinführung so ausgedrückt, ein berühmtes Zitat: „Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, sondern frage, was Du für Dein Land tun kannst“. Das klingt heute ein wenig antiquiert, aber es wäre eine wichtige Leitidee und gar nicht pathetisch.
Es gibt auch andersartige Demos und Streiks an diesen Tagen, vonseiten der Bauern etwa und der Beschäftigten bei der Bahn. Die mögen berechtigt sein, doch vertreten sie nur die Interessen von ganz bestimmten Gruppen, teilweise ungewollt gegen andere Gruppen, denn Budgets sind naturgemäß begrenzt -und daraus ergibt sich ein Verteilungsproblem.
Ganz anders die Welle, die gerade übers ganze Land schwappt und von der wir ein Teil sind: Uns geht es um die Funktionsfähigkeit und den Bestand der verfassungsmäßigen Ordnung als Ganzes. Das ist eine völlig andere Kategorie.
Ein Jahr vieler entscheidender Abstimmungen liegt vor uns, im Juni die Europawahl, im September Landtagswahlen in drei Bundesländern im Osten, und dann im November eine, bei der kein Deutscher sein Kreuzchen machen kann, die aber trotzdem massive Auswirkungen auf Deutschland und Europa haben wird. Es gibt einen Narzissten und zehntausendfachen Lügner, der noch viel stärker, ausschließlicher und rücksichtsloser als Alle hierzulande sein eigenes Interesse vertritt. Wenn er erneut amerikanischer Präsident sein sollte, wird es zu einer weitgehend vollständigen Abkopplung der USA vom europäischen Kontinent kommen. Aber auch wenn dieser worst case nicht eintritt, wird Europa viel mehr für sich selbst aufkommen müssen, um nicht aufgerieben und bedeutungslos zu werden zwischen den Blöcken.
Wenn nicht nur Russland die Ukraine, sondern auch China Taiwan unterwerfen sollte, sind die westliche Welt, mit ihr die Wirtschaft und ein Großteil unserer Werte verloren. Das relativiert in keiner Weisedie Sünden des Kolonialismus und die jahrzehntelange Dominanz eines rein wirtschaftlichen Strebens auf Kosten des Menschlichen, der Natur und der Gerechtigkeit im Gemeinwesen. Aber es verändert die Weltordnung so sehr, dass zumindest Europa gewaltig ins Hintertreffen geraten wird – ganz zu schweigen von einem einzelnen Land. Wer in dieser Situation, wie die AfD und auch das neue Bündnis Wagenknecht, neutralistisch zwischen West und Ost das rein nationale Interesse bedienen und sich aus der EU und der NATO ausklinken möchte, ist nicht nur von vorgestern, sondern legt die Axt an unsere weltoffene Orientierung und unsere ökonomische Existenz. Das wird von Vielen einfach nicht begriffen!
So weit das grobe geopolitische Bild. Von Rassismus, Antisemitismus, Menschenrechten und Menschenwürde wird in anderen Beiträgen noch die Rede sein.
Daneben stellt sich aber auch die Frage nach der Methode, dem Umgang miteinander und dem Stil, nach der Sprache und dem Ton, der auch die Musik macht. Dazu eine kleine Anekdote, die sich tatsächlich so zugetragen hat, kein Scherz also – aber lustig – und keine Erfindung. Beim Eintippen des nämlichen Partei-Kürzels für eine Sprachnachricht vor einigen Tagen, erster Buchstabe ein großes A und dann noch zwei andere Buchstaben, wirkte vorwitzig und übergriffig die Autokorrektur: Obwohl richtig eingegeben, stand dort: „fad“…
„Wie klug, diese Sprachkorrektur“, so der erste Eindruck, aber auch: „Wie zurückhaltend, unaggressiv, fast schon freundlich“. Ich glaube, genau das ist es, was wir brauchen: Eine entschiedene und korrigierende Positionierung in einem zunächst einmal gemäßigten Ton. Doch dann, wenn die andere Seite sich nichtebenso verhält, wenn sie uns mit Überschreitungen, dreisten Lügen, Anfeindungen, Hass und Hetze überzieht, sollten wir uns das nicht bieten lassen.
Dazu ein einschlägiger Leitspruch: „Keine Toleranz gegenüber den Feinden der Toleranz!“ empfahl der Philosoph Karl Popper . Wenn sich der Andere einseitig nicht an die Regeln eines respektvollen Umgangs hält, dann sollten auch wir Dinge sagen können wie zum Beispiel: „Braune Flaschen gehören in den Altglascontainer – und nicht in die Politik“.Oder, wie irgendwo auf einem Plakat gelesen: „Wenn die AfD die Antwort ist, wie dumm war dann die Frage?“
Ähnliches hinsichtlich der Gegenseitigkeit gilt für den arg strapazierten Begriff der „Freiheit“. Alle rufen nach Freiheit, manche setzen sie – unzutreffend – mit der Demokratie gleich. Doch es gibt bekennend nicht-liberale vorgebliche Demokraten, wie Victor Orban in Ungarn, Donald Trump in den USA oder die PIS-Partei in Polen – allesamt im scharfen Gegensatz zu unserer Vorstellung von Freiheit.
Entscheidend für den Unterschied ist allerdings nicht der folgenlose Wunsch nach Freiheit und ihre bloße Idee, entscheidend sind vielmehr die Grenzender Freiheit. Meine Freiheit hört genau dort auf, wo die Freiheit der Anderen eingeschränkt wird – und umgekehrt. Diese Grenze, diese notwendige Beschränkung des eigenen Wirkungsfelds, wird kaum noch gesehen.
Die Illusion aber und die Verheißung: „Du darfst alles und kannst alles erreichen, wenn Du nur willst“, und ähnlicher Quatsch, hat seit Jahrzehnten auch bei uns zunehmend um sich gegriffen. Der Soziologe Hartmut Rosa nennt es die „Illusion der Verfügbarkeit“.
Und so, wie es eine Grenze für die Freiheit gibt und für die Toleranz, so gibt es auch eine Grenze zwischen Demokratie und Autokratie. Gegenwärtig verschiebt diese sich weltweit zu Ungunsten der Demokratie: Immer mehr Autokraten, immer mehr Diktaturen.
Der bulgarische Politikwissenschaftler Ivan Krastev sagt: „Die Grenze zwischen Demokratie und Autokratie ist die am schlechtesten bewachte Grenze der Welt“. Es ist höchste Zeit, dass wir hier die Grenzpfähle einrammen und nicht zwischen den einzelnen Nationen.
Zum Abschluss möchte ich noch etwas sagen zum rechtzeitigen Handeln, also „Wehret den Anfängen!“ Zum Beispiel sollte man sich als Verein oder als Gewerbe in seinem Engagement für Freiheit und Demokratie nicht von der Befürchtung einschüchtern lassen, vielleicht Mitglieder oder Kunden zu verlieren, und dies, obwohl noch niemand explizit gedroht hat. Mehrfach war davon zu hören. Besonders dann ist diese Vorsicht begründet und verständlich, wenn es vielleicht schon um Existenzen geht. Doch haben wir an den letzten Tagen immer öfter auch das umgekehrte Argument gehört: Wer sich als Firma, Geschäft oder Verein nicht wie so viele andere engagiert und dazu bekennt, könnte auch gerade deshalb weniger attraktiv werden für andere Kunden oder Mitglieder.
Wie auch immer: Was wir brauchen in dieser Situation im Konflikt mit schädlichen Zielen und Interessen, sind Mut und Zivilcourage. Ihr Fehlen wareiner der Faktoren für den Beginn des Unheils vor knapp hundert Jahren.
Im Jahr 1958 blickte Erich Kästner auf die Nazizeit zurück. Der Schriftsteller beschrieb es so:
„Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf ‚Landesverrat‘ genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist.“
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
©Stiftung Kultur und politisches Bewusstsein gGmbH, 2022
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